1. August 2025
Viel Schweiß, viel Scheiss? Pro und Contra, Kritik zu »# Schwarze Schafe«

Pro
Als für diesen Film die PR-Maschine anlief, war eine der ersten Informationen „Gemacht ohne Filmförderung oder Sender im Nacken: Purer wilder Spaß.“ Und was soll ich sagen, man sieht es. Natürlich könnte man sich daran aufhängen, dass das Resultat das visuelle Flair eines ZDFneo Fernsehfilms hat, welchem mittendrin das Geld für eine schicke Ausstattung ausgegangen ist. Auch dem Fluch Deutscher Filme (zu viel Gelaber). Doch dies würde die Essenz des Charmes dieser Fortsetzung vom 2006er Vorgänger nicht wirklich widerspiegeln. Damals lief alles noch in Schwarz-Weiß gehalten, einer schnieken Besetzung und Episoden mit Handlungen damaliger Berlin-Klischees, die dennoch ziemlich akkurat waren und weiterhin noch sind, stilsicher über die Leinwand und in die Herzen der Zuschauer. Ich meine, eine ehemalige Dozentin von mir hatte sogar die Typografie aller Titlecards erstellt. Mehr Berlin geht nicht. Jetzt 19 Jahre später nimmt sich die Sache weniger ernst, wurde kunterbunt gedreht und liefert Geschichten, die einfach nur überzogen und unrealistisch wirken… wenn man keine Ahnung hat. Der Neuköllner Clanchef Omar (Yasin El Harrouk), der auf E-Mobilität setzt? Absolut im echten Leben zu finden (hab ich „gehört“). Der chaotische Hobby-Imker Fritz (Frederick Lau), dem die eigene Drogenvergangenheit dazwischenfunkt und dessen Drogentests brutal weit am Ende der Welt zu erledigen sind? Absolut akkurat. Peter (Milan Peschel), bekannt aus der extrem unterhaltsamen Fernsehserie Doppelhaushälfte, versucht Sumpfkrabben vorbildlich regional aus der Spree zu fischen, seine pronomenbewusste Freundin, deren selbstgenähte Genderpuppen selbst zu hässlich für Etsy sind, eine Mutter, deren verzogener Sohn überteuerte Spielzeuge haben möchte und ein Jetskifahrender Spree-Benutzer, der nach gescheitertem Lebensentwurf sein Einkommen noch als Callboy aufbessern muss – ich kenn mindestens von jeder Figur zwei reale Vertreter. Was lehren einen die verschiedenen Filmstränge? Verbrechen und Erpressung lohnen sich. Solang das Herz am rechten Fleck ist.Der farbenfrohe und etwas ulkigere Reboot von Oliver Rihs spaltet zwar, aber ist ehrlich gesagt einfach nur filmgewordener Koriander. Die einen finden ihn super, andere würden gern darauf verzichten. Ich finde ihn super. Mir offenbarte der Film eine Lektion, die heutzutage von Streamern und Filmstudios leider allzu oft vergessen wird: Gutes Filmmarketing ist die halbe Miete. Und wenn die Filmcrew schon sichtlich Spaß hat, so überträgt sich das auch aufs Publikum. Ah, und noch ein Geheimtipp: Unbedingt im Abspann (oder auf Youtube) das eigens produzierte Musikvideo anschauen. Feinste Sahne.
José
Contra
Viel Schweiß, viel Scheiss! – Oliver Rihs setzt das Update seiner legendären 2006er Subkultur-
Komödie schwungvoll in den Sand Die Vorfreude war groß, der Vorgeschmack vom Feinsten. Ein greller pointierter Trailer, der mit ambitionierter Ausstattung Lust am Trash verbreitete und den handverlesenen Cast in überbordender Spiellaune präsentierte. Die Einlassungen zum Drehbuch, die eine wilde Aneinanderreihung wunderbar zugespitzter Episoden versprachen. Zum Bundesstart begrüßte der bestens gelaunte Regisseur mit seinem genussvoll schwäbelnden Hauptdarsteller im Schlepptau das wohlgesonnene Dresdner Publikum. Film ab und Leinwand frei für die schwarzen Schafe. Als da unterwegs sind: abgebrühte Start-up-Typen, Kleinkriminelle, diverse Clan-Angehörige und ihr familiärer Background sowie mehrere Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs – kurz gesagt: randständige oder einfach durchschnittliche Menschen, die, wie es ein schwarzes Schaf auf den Punkt bringt, nicht zu den Gewinnern gehören. Nicht jetzt und in Zukunft auch nicht. Alle sind ziemlich durch von der Hitze, jagen mit heraushängender Zunge durch den Tag, schwitzen in der Sauna, die Berlin heißt, strampeln sich ab und kommen auf keinen grünen Zweig. Irrungen und Wirrungen allenthalben, wie Fontane sagen würde, eine gute Ausgangslage für prima Unterhaltung. Nur leider mehr Scheiß als Schweiß.
Oliver Rihs porträtiert seine Außenseiter mit Liebe, haut aber zu viel fett auf den Pudding. Trashig gemeinte Situationen münden so in spießiges Gedröhne. Die Frauen entkommen noch am ehesten seiner Klischeeparade, weil ihnen für einen kurzen kraftvollen Moment die Flucht aus dem Alltag gelingt. Leider nutzen sie diese Freiheit nur für Shopping plus Callboy-Call. Wer glaubt denn sowas? Jule Böwe und Jella Haase machen das Beste aus der misslichen Vorlage, erspielen große, glaubwürdige Kino-Momente und stehlen ihren Kollegen die Show. Nicht als blödes Thelma-und-Louise-Zitat, wie es das Drehbuch vorgibt, sondern als wildes weltflüchtendes Duo Infernale.
Ungleich schwerer haben es die Männer, die nur toxisch sein dürfen. Milan Peschel kann der Rolle des tumben Sumpfkrabbenfischers und Säufers nur durch extreme Peschelhaftigkeit halbwegs entkommen. Marc Hosemann hat als Dealer Kafka keine Chance, mehr als dämlich zu sein. Günstiger trifft es Frederick Lau, der als Hobby-Imker von Speed-Bienen umtostes absurdes Theater spielen darf – großes Lob für das überbordende Maskenbild! Und Yasin El Harrouk darf als (bei aller Satire doch ein wenig zu naiver) Clan-Chef über Klimaneutralität nachdenken, wenn auch nur, um seine wohlstandsverwahrloste Tochter bei Laune zu halten. Die großen Handlungsstränge sind so hanebüchen und hausbacken zu gleich, dass man sich schon fragt, wo und warum der Underdog-Spaß der frühen 2000er Jahre flöten gegangen ist. Und warum das beim Drehen oder spätestens bei der Postprodution niemandem aufgefallen ist.
Schenkelklopfen ist nicht wirklich lustig. Wahrer Humor findet in klitzekleinen Momenten trotzdem statt. Etwa, wenn die Clan-Bosse bei ihrer Zoom-Konferenz mit der Technik kämpfen (Ganz große Kachelwand!). Oder sich der Ober-Zampano mit der Bio-Laden-Angestellten in die Wolle bekommt über der Frage, wer hier mehr BIPoC ist. Dann sieht man, was Oliver Rihs und sein Team eigentlich drauf haben und was für ein feiner Film das hätte werden können. Mensch, Leute!
Grit Dora
https://port-prince.de/projekt/schwarzeschafe/
