Der ganz große Traum
“Football's Coming Home“ - wir alle wissen, dass Fußball, wie wir ihn heute kennen, in England erfunden wurde. Die Geschichte der Sportart hat jede Menge Anekdoten und erstaunliche Begebenheiten zu bieten. In Deutschland war der Sport Ende des 19. Jahrhunderts als „Englische Krankheit“ und „Fußlümmelei“ verspottet und teilweise sogar verboten, für Männer in Bayern noch bis 1912. Und Frauen durften zwischen 1954 und 1970 in Westdeutschland gar nicht spielen, zumindest nicht in Vereinen oder auf Plätzen des DFB.
Vor fast 100 Jahren starb ein Mann, der Fußball als einer der allerersten in Deutschland einführte: Konrad Koch, ein Reformpädagoge und Verfasser des ersten deutschen Fußball-Regelwerkes.
Der Regisseur Sebastian Grobler ist mit »Der ganz große Traum« nun angetreten, Fußballgeschichte filmisch umzusetzen und dabei gleichzeitig „emotional zu erzählen“. In seiner Version - daher der Zusatz „frei nach wahren Begebenheiten“ - hat Konrad Koch in England studiert, sich dadurch nach Auffassung der Kaisertreuen um den Kriegseinsatz gemogelt, und versucht nun in Braunschweig den Schülern Englisch und „Fair Play“ beizubringen - also der pure Anarchismus. Wo doch Leibesertüchtigung aus diszipliniertem Turnen mit dem Medizinball oder an Reck und Ringen besteht. Und außerdem die Engländer die Feinde sind. Haarstäubende Vorurteile zeigen Koch (Daniel Brühl), wie schwer seine Aufgabe werden wird. Das führt zu einigen starken und auch amüsanten Szenen, wenn Koch sich Schülern mit echt deutschen Tugenden gegenüber sieht oder kaisertreuen erzkonservativen Lehrern. Es gelingt ihm dennoch, die Schüler für Fußball zu begeistern, und allmählich wird aus den teils untereinander verfeindeten Schülern eine Mannschaft. Hier kommt nun der emotionale Teil ins Spiel. Leider gerät die „Moral“ des Films ziemlich plakativ: Ein hinterhältiger Schüler wird zum Vorbild an Courage, nachdem er zuvor seine Klasse feige verraten hat. Der gehänselte Proletarier (zu allem Überfluss auch noch mit allein erziehender Mutter) ist der beste Torschütze und endlich anerkannt, der von allen Seiten angegriffene Lehrer Koch kann die kaiserliche Delegation vom erzieherischen Wert des Fußballs überzeugen und wird zum heldenhaften Pionier - der er in Wirklichkeit tatsächlich war, unnötigerweise fügt der Film ein Übermaß an dramaturgischen Zufällen und Gutmenschen-Pathos hinzu.
Petra Wille
Petra Wille
Buch: Philipp Roth, Johanna Stuttmann
Regie: Sebastian Grobler
Darsteller: Daniel Brühl (Konrad Koch), Burghart Klaußner, Kathrin von Steinburg, Justus von Dohnanyi, Thomas Thieme, Axel Prahl, Jürgen Tonkel, Adrian Moore, Theo Trebs, Till Valentin Winter, Anna Stieblich, Josef Ostendorf, Veit Stübner, Michael Hanemann, Lennart B
Kamera: Martin Langer
Produktion: deutschfilm, Cuckoo Clock, Senator, Rialto Film, Degeto Film, Anatol Nitschke, Raoul Reinert, Helge Sasse, Matthias Wendlandt, Felix Wendlandt, Hans-Wolfgang Jurgan, Gerhard von Halem, Christian Springer
Bundesstart: 24.02.2011
Start in Dresden: 24.02.2011
FSK: o.A.