Shutka - Stadt der Roma

In den Filmen Kusturicas wimmelt es von tragikomischen Gestalten und für mitteleuropäische Augen einzigartigen Typen. Die Welt der sogenannten Zigeuner als folkloristsche Dramödie, nur anfänglich in Time of the Gypsis von einem teils verstörenden Realismus durchsetzt. Einen Blick hinter die Kulissen genau jener romantisierenden Welt erlaubt uns Aleksandar Manic, der als Regieassistent und Übersetzer u.a. bei Kusturicas Underground mitarbeitete.
Er führt uns auf eine Reise in jene Stadt, 15 Autominuten von der mazedonischen Hauptstadt Skopje entfernt, die auf Grund ihres hohen Anteiles an Roma, von den ca. 30 - 45.000 Menschen, die hier leben, sind etwa 93 Prozent Roma (fast die gesamte Roma-Bevölkerung Mazedoniens, die Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da nach dem Kosovo-Krieg viele Roma nach Skopje flüchteten) als inoffizielle Hauptstadt der Roma gilt. Die Führung übernimmt ein ausgewiesener Experte - Dr. Koljo (Severdzan Bajram), bekannt aus Schwarze Katze, Weißer Kater, wo er den Matko spielte.
Schwer ist es, die Balance zu halten zwischen dem folklorisitsch-romantisierenden Ansatz über die im wahrsten Sinne so freien und lebenslustigen Roma, die als reiche Geschäftsleute, arme Tagelöhner, Vampirjäger, Derwische oder einfach nur in den Tag leben. Denn in Shutka scheint derjenige wohlhabend, der immer wieder in der Lage ist, sich neu zu erfinden. Und so sollen in Shutka mehr Meisterschaften in irgendwas statt finden als irgendwo anders auf der Welt. So wird zumindestens gesagt. Untermalt wird das mit jeder Menge absurd scheinender Wettbewerbe wie Vampirjagden, Türkische-Musikkassetten-sammeln-Meisterschaften oder Wer-hat-die-schönste-Sonntagsgarderobe-Ausscheidungskämpfe. Selbst Kanarienvögel, Tauben und Gänse werden trainiert, um sich im Singen, Fliegen und Boxen zu messen.
Eine Stadt wie aus einem Kusturica Film - voller merkwürdiger Rituale, grotesker Situationen und burlesker Gestalten. Aber vor allem eine Situation, von der der Bürgermeister Neschdet Mustafa, der erste Roma-Bürgermeister der Welt, seit Ende 1996 im Amt und Gründer der Vereinigten Partei der Roma, sagt: “dass die Roma keine Lobby hätten und noch zu wenig als Menschen mit bürgerlichen und nationalen Rechten akzeptiert würden” und vor allem “Die Roma müssen aktives Subjekt werden und nicht passive Betrachter ihres Schicksals!”. Denn die Realität hinter der skurrilen Fassade ist von extremen sozialen Problemen geprägt, von hoher Arbeitslosigkeit bis zu 90%, den geringen Bildungschancen und den katastrophalen Wohnbedingungen.
Eine Dokumentation, die die Balance hält zwischen der Schilderung einer schillernden Oberfläche und dem teils tragischen Innenleben.