Hukkle - Das Dorf
Eine Schlange im Gras. Im Off hat jemand Schluckauf. Ein sehr alter Mann sitzt auf einer Holzbank, neben ihm eine Milchflasche aus Metall. Die Dorfstraße liegt genau vor ihm, Gänse laufen durchs Bild. Idyllische Dorfimpressionen, so scheint es, haben Kameramann Gergely Poharnok und Regisseur György Pálffi festgehalten. Dabei gehen sie oft ganz nah heran, man sieht die Furchen im Gesicht des Alten, das Muster eines Schaf-Fells. Erst wenn die Kameraperspektive sich öffnet, lösen sich die ersten Geheimnisse der Bildkompositionen. Hukkle ist ein Kunstwort, eine Lautmalerei für den Schluckauf, der sich als einziges Leitmotiv durch den Film zieht, in dem es keine Dialoge gibt. Er lullt den Zuschauer ein, man glaubt einer Mischung aus Natur- und Dokumentarfilm beizuwohnen. Nur ein Mädchen, das auf einer Wiese Musik aus dem Walkman hört, weist darauf hin, dass Hukkle in einer zeitlosen Gegenwart angesiedelt ist.
In die idyllischen Anfangsbilder mischen sich irritierende Aufnahmen. Eine Katze liegt im Todeskampf, ein schlaksiger Polizist mit kleinem Pferdeschwanz fährt öfter mit seinem Lada vorbei. Immer wieder wird man vom Einfallsreichtum der Macher überrascht, wenn zum Beispiel in einer rasanten Bild- und Schnittfolge sich ein geangelter Fisch auf einem leeren Teller in eine Art Gulasch verwandelt, aus dem Bauern, der ihn zu sich nimmt, ein Röntgenbild und Skelett wird, das ein Arzt bald in den Händen hält. Ein beginnendes „Erdbeben“, das sich bereits akustisch und optisch ankündigt, wird von einem tief fliegenden Düsenbomber ausgelöst.
Der Dorfpolizist besucht seine Mutter, die wie immer nach dem Essen eine dramatische mexikanische Soap Opera anschaut: „Nein, Federico, nein!“, schreit es aus dem Fernseher. Im Dorf ist Soap-Hour, wie übrigens überall in Ungarn, wo auf allen staatlichen und privaten Kanälen südamerikanische Telenovelas laufen. Beim Angeln im Dorfteich verfolgt die Kamera den Köder und anbeißende Fische. Auf dem Grund liegt ein Toter. Es wird nicht der einzige bleiben, und der zufällig durch die Landschaft fotografierende Polizist macht eine Entdeckung …
Fast unmerklich hat Regisseur György Pálffi, der nur Szenen aneinander zu reihen scheint, den Zuschauer in die Irre geführt. Denn »Hukkle« ist kein Film, der nur eine Geschichte hat und sich dem Betrachter sofort erschließt. Es ist eine avantgardistische und doch sehr eingängige filmische Erfahrungsreise, die immer spannender, subtiler und verblüffender wird. Nur wer die Geduld, Ruhe und Zeit hat, sich auf diesen ungewöhnlichen, aber faszinierenden Film einzulassen, wird ihn richtig genießen.
Buch: György Pálfi
Regie: György Pálfi
Darsteller: Ferenc Bandi, Józsefné Rácz, Jószef Farkas, Ferenc Nagy, Ferencné Virág, Janos F. Kovacs, Jánosné Nagy, Ági Margitai, Eszter Ónodi, Attila Kaszás, Katalin Balatoni
Kamera: Gergely Pohárnok
Musik: Balázs Barna, Samu Gryllus
Produktion: Mokép, Fanyar, Csaba Bereczki, András Böhm
Bundesstart: 24.04.2003
Start in Dresden: 26.06.2003