Happy Holidays

Drama, Palästina/Deutschland/Frankreich/Italien/Katar 2024, 123 min

Das Schöne an einer Familie ist ihre Funktion als geschützter Raum, als Unterschlupf, gesponnen aus Grundvertrauen, Mutterwärme und gegenseitigem Wohlwollen. Das Schöne
wird grausam, wenn dieses Gespinst zur Bevormundung und subtilen Unterdrückung missbraucht wird. Haifa, der Ort in Israel, wo ein entspannter, religiöser Pragmatismus gelebt wird, ist die Heimatstadt von Fifi (Manar Shehab) und ihrem Bruder Rami (Toufic Danial). Schon lange nicht mehr teilen die Geschwister all ihre Geheimnisse am elterlichen Tisch. Wenn diese dann doch zur Sprache kommen, über Bande, als Folge eines Unfalles, oder böswillig konstruiert, dann hängt der Haussegen mächtig schief. Letzterer ist hier moderat muslimisch-arabisch, palästinensisch liberal, doch keineswegs frei von auferlegter Selbstverleugnung. Die lebenslustige Lehramtsstudentin Fifi wandelt stoisch durch ihr Praktikum in einem jüdischen Kindergarten, wo frisch gebackene Soldaten über die Staatsdoktrin vom überlebensnotwendigen Militarismus referieren. Ihr Bruder Rami ringt still mit seiner jüdischen Freundin Shirley (Shani Dahari) um die eigentlich vereinbarte Abtreibung des zu erwartenden 'Problemkindes'. Fifis Mutter Hanan (Wafaa Aoun) möchte gern aus dem Autounfall ihrer Tochter, der hier als Dreh-und Angelpunkt der verschiedenen Episoden fungiert, verloren gegangenes Familienkapital schlagen, nicht zuletzt auch in monetärer Form für die bevorstehende Hochzeit von Fifis Schwester, vor allem aber, indem sie die Feiertage wie eine ordentliche Familie begehen. Scham, soziale Kontrolle und Ehrverlust inklusive. Denn der Filmtitel „Happy Holidays“ steht für die doppelbödige arabische Gratulationsfloskel „Yinad Aleykou“, die eine vielfache Wiederkehr ebendieser Feier wünscht (ähnlich dem rumänischen „la mulți ani“), aber gleichzeitig mit der korrekten Befolgung ebenjener Tradition droht. Regisseur Scandar Copti wirft einen wohlwollend kritischen Blick auf die junge Generation in seiner Heimat, wo jüdische Töchter den Wehrdienst in Frage stellen, arabische Mütter ihren Söhnen einbleuen, niemals etwas darauf zu geben, was ihnen ihre Frau sage und wo alle miteinander in einer stummen Heuchelei leben. Immer ist ein Film auch eine Zeitkapsel. Dieser Film bewahrt für immer die Komplexität eines nahezu friedlichen Miteinanders in Haifa, vor dem 7. Oktober 2023.
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