Irdische Verse
Er möchte seinen Sohn David nennen, sagt der Mann zum Beamten. Das gehe nicht, das sei kein iranischer Name, entgegnet der. Mit dieser Szene steigt der gemeinsame, in knackigen 77 Minuten erzählte Film von Ali Asgari und Alireza Khatami in eine Abfolge von neun Episoden ein. Sie sind alle gleich aufgebaut: Ein einzelner Mensch tritt in den Dialog mit einem Menschen von einer Behörde, wobei letzterer nicht zu sehen, sondern nur zu hören ist. Oder ist es eher ein Ringen, ein Kampf, sogar Verzweiflung?
Auf die gescheiterte Namensgebung für das Kind folgen das Verhör einer Schülerin durch die Rektorin, eine Taxifahrerin mit der falschen Kopfbedeckung, ein Vorstellungsgespräch mit vollkommen unangebrachten Fragen und Beschimpfungen. Zumindest widerfährt dies einer Frau, während ein Mann demonstrieren muss, wie er die rituellen Waschungen vor dem Gebet durchführt. Ein anderer soll sich entblättern und seine Tattoos zeigen.
Ali Asgari und Alireza Khatami zeigen Eingriffe ins Private, teils intime, mit denen ein totalitärer Staat sämtlichen Widerstand im Keim ersticken will. Im Ansatz kommen die teils grotesken Szenen vermutlich aber vielen Menschen in allen Teilen der Welt bekannt vor. Nur bleibt einem hier das Lachen angesichts der Proteste im Iran im Halse stecken.
Stilistisch haben sich die beiden Filmemacher von der Ghazal-Dichtung inspirieren lassen. Mit ihrem Titel setzen sie der iranischen Dichterin und Filmemacherin Forugh Farrochzad und ihren »Terrestrischen Versen« ein kleines Denkmal.
mana
Buch: Ali Asgari, Alireza Khatami
Regie: Ali Asgari, Alireza Khatami
Darsteller: Bahram Ark, Arghavan Shabani, Servin Zabetian, Sadaf Asgari, Faezeh Rad, Hossein Soleymani, Majid Salehi, Farzin Mohades, Gouhar Kheir Andish, Ardeshir Kazemi
Kamera: Adib Sobhani
Bundesstart: 11.04.2024
Start in Dresden: 11.04.2024
FSK: ab 6 Jahren