All eure Gesichter

Seit ein paar Jahren wird in Kanada oder in Frankreich eine ganz alte Methode, die restaurative Justiz, wieder neu angewendet im Strafvollzug. In sicherer Umgebung und unter Aufsicht von Experten finden Gespräche zwischen Tätern und Opfern statt. Was im Kleinen, im Zimmer der Schuldirektorin, oder im Großen, in den Wahrheitskommissionen von etwa Chile oder Südafrika zur Anwendung kommt, soll auch hier wieder zu einem wirksamen Mittel der Resozialisierung werden. Also sitzen der Einbrecher Nassim (Dali Benssalah), Ladendieb Issa (Birane Ba) und der Intensivtäter Thomas (Fred Testot) drei Opfern gegenüber, die zumeist in ähnlich gelagerten Fällen traumatisiert wurden und es braucht Zeit auf beiden Seiten, ehe das Ringen um Worte zu einem Gespräch wird. Auch Chloé (Adèle Exarchopoulos) leidet noch immer an den Folgen des Missbrauchs durch ihren älteren Bruder und fragt nach um Rat. Als sie den Mut fand ihn anzuzeigen, verlor sie ein Familienmitglied. Jetzt sucht sie von neuem nach Mut, weil sie nicht weiß, wie sie ihm gegenübertreten soll. Zufällig über den Weg will sie ihm nicht laufen müssen, wenn er demnächst entlassen wird. Und dann sind da noch die Mediatoren, die sich, wie alle Beteiligten auch, freiwillig bereit erklären, die Treffen zu moderieren. Bei ihnen laufen die Ängste, die Wut und das Unverständnis, aber auch die Hoffnungen zusammen. Letztere behandelt Regisseurin Jeanne Herry wie eine kleine zarte Pflanze, die noch ein paar Jahre Kraft und Licht brauchen wird, um zu etwas Starkem zu wachsen. Strafe existiert als Werkzeug in unserer Gesellschaft zum Zwecke der Abschreckung, des Schutzes der Gesellschaft und um verurteilten Tätern eine Möglichkeit zur Resozialisierung einräumen zu können. Allein das Gelingen der Resozialisierung ist dabei der Zukunft zugewandt. Der Film begibt sich auf den Weg dahin.
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