Schiffe aus Wassermelonen
Seit die Bilder vor mehr als hundert Jahren laufen lernten, gilt diese ewige Weisheit auch für das Kino in der Türkei: Will man eine Geschichte erzählen, braucht es einen Jungen und ein Mädchen. Alles andere findet sich. Irgendwo in einem kleinen anatolischen Dorf arbeitet Recep als Melonenverkäufer und Mehmet beginnt gerade eine Ausbildung als Friseur. Jeden Morgen wandern sie in „die Stadt“, die eigentlich nur das nächstgrößere Dorf ist. Die jedoch mit ihren verwinkelten Gassen, dem elektrischen Licht und der eigentlichen Attraktion aufwarten kann; dem Kino. Am Abend geht es zurück über die Bahngleise, im Gepäck etliche Filmschnipsel, die sie im Stadtkino aufsammeln und sorgsam hüten. Genauso wie all die kleinen Begebenheiten, die ihnen unterwegs passieren und die bald schon ein Teil ihrer eigenen Geschichte sein könnten. Denn sie träumen von einer Karriere als Kinoregisseur in der fernen Hauptstadt, umringt von schönen Frauen und reichen Männern, hoch angesehen. Vorerst verbringen sie ihre freie Zeit damit, die aufgesammelten Filmstücken zum Laufen zu bringen. Dazu muss ein Projektor gebaut werden. Doch bevor sie das Geheimnis der Filmprojektion lüften können, verbrennen die wertvollsten Stücke, weil Mehmets Mutter diese laut zeternd durchs Dorf zerrt. Nicht erst hier werden Erinnerungen an Toto und Alfredo wach, die beiden Helden aus »Cinema Paradiso«. Echte Entdeckerfreude packt die beiden Jungen spätestens beim Anblick von Nihal und Güler, den zwei Töchtern der Witwe Nezihe. Verstohlen fliegen die Blicke über die Dorfstraße hin. Jetzt sind die Erfahrungen, die sie mit ihren Kinohelden gemacht haben, von unschätzbarem Wert. Schließlich sehnen sich ja alle Mädchen danach, von einem jungen Mann angesprochen zu werden. Dass ausgerechnet die Witwe Nezihe an Recep einen Narren gefressen hat, der ihr jeden Tag Melonen ins Haus liefern darf, ist schon wieder eine andere Geschichte.
alpa kino
Regie: Ahmet Ulucay
Darsteller: Kadir Kaymaz, Ismail Hakki Taslak, Fizuli Caferof, Mustafa Çoban, Gülayse Erkoc, Hasbiye Günay
Kamera: Ilker Berke
Musik: Ender Akay
Produktion: Istisnai Filmler ve Reklamlar, Serkan Cakarer, Diloy Gülün, Serdar Tahiroglu
Bundesstart: 29.06.2006
Start in Dresden: 07.09.2006