20. Juli 2022

Zurück in die Zone – Es war einmal … … im Osten.

Mit rosa Sonnenuntergangsbrille durch Leander Haußmanns Stasikomödien-Show, Kritik
Zurück in die Zone – Es war einmal … … im Osten.
Es war einmal… …im Osten. Den märchenhaften Einstieg hat Leander Haußmann für »NVA« (2005) gewählt, die Märchenperspektive prägte auch seinen Durchbruch »Sonnenallee« von 1999. Im neuen DDR-Rückblick aus der Haußmann-Factory behält er sie konsequent bei. Märchenonkel Leander weiß, was er kann.

Es war einmal ein junger Mann im Osten, Ludger mit Namen, der bei der Stasi landete, die Kunstszene im Prenzlauer Berg ausspionieren sollte und dabei seine eigenen künstlerischen Ambitionen fruchtbar machte. Die vergangenen 33 Jahre verbrachte er damit, sich seine eigene erfolgreiche Legende vom DDR-Oppositionellen zu schreiben. Die könnte nun auffliegen, weil ihn die drängelnde Familie zur Akteneinsicht genötigt hat. Ludgers Observierungspapiere sind ziemlich umfangreich und nicht ganz deckungsgleich mit der eigenen Lebenserzählung…aber wenn er, seine Frau, seine Kinder und der Historiker vom Amt für Vergangenheitsbewältigung beim Lesen der Akte nicht an Herzschlag gestorben sind, dann leben sie noch heute.

Auch »Stasikomödie« ist wieder liebevollst ausstaffiertes Leandertal. Man beschaut es durch die sanfte rosa Sonnenuntergangsbrille des Regisseurs, lustwandelt durch seine heitere Ostberlin-Version, erinnert sich mit Wonne an die »Sonnenallee«-Morgenröte und trifft auch Obermeister Horkefeld (Detlev Buck) wieder. Der geniale Umgang mit Klischees bleibt ein großes Pfund Haußmanns, sämtliche auftauchenden Menschen und Dinge entsprechen haargenau den Bildern, die sich über die letzten drei Jahrzehnte von ihnen entwickelt haben. Die Komik ist immens. Allen voran die der Stasi-Genossen, von Henry Hübchens Führungsoffizier Siemens bis zu Bernd Stegemanns Minister für Staatssicherheit („Ich liebe doch alle“-Erich Mielke). Mit diesem Auf-den-Punkt-bringen, dieser deckungsgleichen Entsprechung, die ihm so oft als Oberflächlichkeit übelgenommen wird, führt Haußmann einmal mehr die simplen, aber wirkungsvollen Mittel von Geschichtsüberschreibung vor.

Seinen Namen hat der tiefenentspannteste unter den lebenden deutschen Regisseuren der Komödie wohl auch verpasst, um die persönliche Perspektive gleich vorab klarzumachen. Kein Anspruch auf historische Genauigkeit, auf klares Opfer-Täter-Bewusstsein, kein Realismus. Ihr könnt es euch sparen, Leute, scheint er grinsend zu sagen, wieder die üblichen Vergleiche anzustellen. Lasst »Das Leben der Anderen« und »Gundermann« im Regal.
Der inzwischen Mittsechziger Haußmann spielt in seiner eigenen Liga und hat sich sein eigenes Genre erfunden: DDR-Komödien mit starkem Hang zur Revue. Am ehesten lässt sich an Billy Wilders Ost-West-Farce »Eins, zwei, drei« (1961) denken, auch wenn der Westen in »Stasikomödie« nur als „the Gegenwart“-Klammer eine Funktion hat.
Irgendwie nett schon auch die Vorstellung, wie Leander Haußmann zukünftig in den Siebenmeilenstiefeln von Altmeister Wilder durch den Zoo seiner Erinnerungen schlappt. Vielleicht ringt er Ostberlin noch eine Hollywood-Komödie ab. Bei der Oscar-Verleihung würden Detlev Buck und Alexander Scheer ihren Leander untergehakt über den roten Teppich schleifen. Henry Hübchen käme als nackte Kanone in die Academy geflogen, wenn der Briefumschlag geöffnet wird.
Doch zunächst gilt es, Haußmanns komplette Trilogie zu gucken, auf der Couch und im Kino. Am besten mit einem Rosé a la Carsten Speck. Muss auch nicht gekühlt sein, Hauptsache es dreht. Stößchen!

Grit Dora

http://www.constantin-film.de/kino/stasikomoedie/