Der Kongress

Animation/Science-Fiction, Israel/Deutschland/Polen/Luxemburg/Frankreich/Belgien 2013, 123 min

Ari Folman ist ein Regisseur mit dem siebten Sinn fürs Visuelle, seine Filmstills bleiben haften. »Waltz with Bashir« seine halbautobiografische Abrechnung mit dem Libanon-Krieg, insbesondere mit dem Massaker von Sabra und Schatila erinnern auch Leute, die den Film gar nicht gesehen haben, allein wegen der Kraft des schlichten lehmgelben Filmplakats. Jetzt hat Folman tief in die Popkiste gegriffen und einen Film gedreht, den man, was die Optik angeht, mit nichts vergleichen kann. Allerdings gibt es ein paar Links zu »Yellow Submarine« und dem Kubrick-Kracher »2001: Odyssee im Weltraum«. Das Drehbuch basiert auf Stanislaw Lems Sci-Fi-Roman „Der futurologische Kongreß”. Schade, dass Lem, dessen düstere, mit verzweifeltem Humor gewürzte Zukunftsvisionen Folman noch zuspitzt, das Ergebnis nicht mehr sehen kann. Wäre spannend zu wissen, was er davon hielte.
»Der Kongress« ist eine Mischung aus klassisch gespielten realen und atemberaubend flüssigen animierten Szenen. Die 45-jährige Schauspielerin Robin Wright (Robin Wright) erhält über ihren Langzeitagenten (Harvey Keitel) ein seltsames Angebot. Ein Hollywood Studio will ihr die Rechte an ihrer Person für eine enorme Summe abkaufen, sie scannen und ihr digitales Konterfei uneingeschränkt einsetzen. Sie lässt sich auf den Deal ein, ihrer Kinder und ihres Alters wegen. 20 Jahre später ist sie die digitale Heldin einer platten Action-Serie. Robin Wright, die „Echte“ hingegen geht auf einen Kongress, der ein irres neues Medikament vorstellt. Die Idee vom Kopfkino wird Wirklichkeit. Berühmte Kollegen wie John Wayne, Marilyn Monroe und Michael Jackson sind auch zugegen - und starten den gleichfalls psychedelisch unterstützten Aufstand gegen die neue Scheinwelt. Kompromisslos wird an der surrealen Bilderschraube gedreht und eine kaum überschaubare Welt von Themen angerissen: Kritik an der Traumfabrik, Copyright, Jugendwahn, Second Life, freier Wille und Identität. Ari Folman sprengt mit »Der Kongress« genussvoll die Grenzen der Aufnahmefähigkeit.
Grit Dora