Der Geschmack von Apfelkernen

Drama, Deutschland 2013, 121 min

Stoffe flattern, Blätter rauschen, Kerne knacken. Junge Mädchen mit Porzellanteint sitzen in Omas Samt- und Spitzenkleidern auf ollen Fahrrädern und rollen über sonnenvergoldete Feldwege. Geheimes Getuschel. Spiele. Mehr und auch weniger harmlose. Die trockene Hand der Großmutter raschelt auf dem Tischtuch. Katharina Hagenas Erfolgsroman von 2008 ist ein atmosphärisches Buch. Es lebt von Sinneseindrücken und es überrascht mit dem Kontrast zwischen karger norddeutscher Sprache und surrealen Bildern. Johannisbeeren verfärben sich beim Tod eines Familienmitglieds, Bäume blühen zweimal, Äpfel reifen über Nacht.
Iris (Hannah Herzsprung) erbt das Haus ihrer Großmutter in Bootshaven. Schöne und schmerzhafte Erinnerungen suchen sie heim. An Kinderspiele, an die erste Liebe. Den frühen Tod der Großtante, den tödlichen Sturz der Cousine. Innerfamiliäre Katastrophen, die in die Alzheimerkrankheit der Großmutter mündeten. Die Enkelin, die sich vor 13 Jahren für immer die Frage nach dem Warum verboten hat und ihr Erbe jetzt eigentlich gar nicht so recht antreten will, durchstreift das Haus, setzt sich der Vergangenheit aus und lässt sich schließlich auf einen neuen Anfang ein.
Regisseurin Vivian Naefe erzählt behutsam und angenehm spröde diese sehr deutsche Familiengeschichte nach. Ein großartiges Ensemble flankiert die Hauptfigur. Marie Bäumer ist eine im wahrsten Sinn des Wortes Funken sprühende Tante Inga, Meret Becker verkörpert mit unaufdringlicher Intensität die verhärmte Harriet, Mutter der tödlich verunglückten Rosmarie (Paula Beer), und Matthias Habich erzählt als Dorflehrer und heimlicher Geliebter der Großmutter mit ein paar sparsamen Gesten weit mehr über große Gefühle als all die im Lauf des Films romantisch rutschenden Hüllen zusammen.
Grit Dora