Paulette

Drama, Frankreich 2012, 87 min

Paulette (Bernadette Lafont) ist eine unsympathische Person: Sie ist garstig zu allen, inclusive ihres Enkelkindes - das ist nämlich schwarz, und sie mag keine „Bimbos“. Auch ihre Freundinnen kriegen ihre geballte Verbitterung ab, eine wird prägnant mit „Alzheimer“ angesprochen. Früher - das beweisen Super-8-Aufnahmen zu Filmbeginn - war alles anders: Da hatte Paulette einen charmanten Mann und eine Konditorei, doch nichts ist geblieben und nun wohnt sie alleine in einer Pariser Vorstadt und streitet sich mit anderen Alten um Gemüsereste am Markttag.
Zum Glück handelt es sich bei »Paulette« nicht um einen Dokumentarfilm - Jérôme Enrico hat eine Komödie gemacht, die zwar die Verzweiflung einer Rentnerin zeigt, die nicht weiß, wie sie bis Monatsende über die Runden kommen soll. Gleichzeitig ist ihre Kratzbürstigkeit so konsequent, dass es die reine Freude ist. Deswegen ist man auch nicht überrascht, als Paulette durch einen Zufall zur Drogendealerin wird. Naja, ganz am Anfang steht ein Zufall, aber danach überlässt Paulette nichts mehr demselbigen, sondern zieht ihren Plan sehr entschlossen durch - auch gegen die Widerstände von Drogenbossen und kleinen Dealern aus der Nachbarschaft, die ihre Felle davon schwimmen sehen. Paulette ist nämlich sehr geschäftstüchtig. Ihre Kundschaft schätzt ihre Art, schließlich hat sie weder Migrationshintergrund noch Machogehabe, und sie ist kein „linker Kiffer“, was so manche Kunden abschreckt. Nachdem sie - rein zufällig - wohlschmeckende und sehr wirksame Haschkekse erfand, steht die Kundschaft vor ihrer Wohnungstür Schlange.
Vor allem in der ersten Hälfte des Films zeigt die Idee (basierend auf einer Zeitungsmeldung, die Enrico aufstöberte) ihre äußerst witzige Wirkung: Eine bittere, gemeine alte Frau findet eine neue Überlebensstrategie - von Moral oder Skrupel keine Spur. Sie hat in ihrem Leben bereits eine erfolgreiche Konditorei geführt und nichts zu verlieren - da wird sie sich doch von diesem großkotzigen Dealer Vito nicht einschüchtern lassen! Und wenn ihr die Arbeit langsam über den Kopf wächst, sind auch die betagten Freundinnen der Teerunde zu etwas gut: Sie assistieren beim Backen, Verkaufen und bei der Buchhaltung.
Mit dem Anteil der über 70-Jährigen an der Geschichte wird der Humor leider ein bisschen harmloser. Jedoch trübt dies kaum den rabiaten Witz und die wirklich sehenswerten Auftritte der großartigen Schauspielerinnen.
Petra Wille