Oh Boy

Drama, Deutschland 2012, 85 min

Berlin als Filmmotiv, gähn. Die Motive haben wir schon tausendmal gesehen, und die Leute, die kennen wir auch alle, die Hipster, die Künstler, die Gentrifizierer und die Schwaben. Jedoch - »Oh Boy« ist wohltuend anders: Ein „neuer“ Regisseur, bisher nicht mal durch Kurzfilme aufgefallen (sofern man bei Kurzfilmen von „Auffallen“ sprechen kann), macht einen absolut runden, absolut überzeugenden Film. Und traut sich an das ran, wovor Redakteure und Produzenten eher abraten: schwarz-weiß statt bunt, jazzig-beschwingte Musik statt Elektro…
Regisseur Jan Ole Gerster erzählt einen Tag aus dem Leben von Niko (Tom Schilling). Er muss zur MPU, dem „Idiotentest“ bei einem durchgeknallten Psychologen (großartig: Justus von Dohnányi), trifft eine ehemalige Mitschülerin (Friederike Kempter) wieder und hängt mit einem Kumpel ab, der ihn an ein Filmset mitnimmt, an dem alle in Nazi-Uniformen herumlaufen. Für Nikos finanzielle Umstände entscheidend ist ein Treffen mit seinem Vater (Ulrich Noethen) auf dem Golfplatz. Herr Papa hat nämlich erst vor Kurzem erfahren, dass sein Sohn die Zeit nicht etwa mit dem Jurastudium verbringt (womit stattdessen, zeigt dieser Film). Er beschließt mit sofortiger Wirkung: „Das einzige, was ich jetzt noch für dich tun kann, ist nichts mehr für dich zu tun.“ Aber Niko ist ein echter Slacker: Er hat keine Zeit und auch keine Muße, deswegen sein Leben in Ordnung zu bringen. Er wird weiterhin in merkwürdige Situationen stolpern und am Ende des Tages einem alten Mann und seiner Geschichte zuhören, in der dessen Vater vorkommt.
»Oh Boy« lebt von Situationskomik und seinen wunderbaren Dialogen, ist aber dennoch kein vornehmlich lustiger Film oder gar eine Komödie. Er ist überhaupt schwer beschreibbar, hat etwas Schwebendes, fast Poetisches. Festhalten kann man, dass Regisseur Gerster eigentlich alles richtig gemacht hat, und völlig unangestrengt einen kleinen, feinen, sehr ungewöhnlichen Film geschaffen hat - in Berlin, mit Hipstern, Künstlern und Schwaben, aber wohltuend anderen Bildern und sehr hintergründigem Humor.
Petra Wille