Ich reise allein

Drama/Komödie, Norwegen 2011, 93 min

Man sollte meinen, irgendwann könnte man der skandinavischen Komödien überdrüssig werden, aber nein: Mit »Ich reise allein« kommt schon wieder eine Geschichte daher, die lustig und originell ist und nicht schon tausendfach erzählt. Jarle gefällt sein Studentenleben ohne Verantwortung, dafür mit viel intellektuellem Gequatsche, Party und Zigaretten. Seine Zukunft stellt er sich als Literaturwissenschaftler (Schwerpunkt Marcel Proust und Körperbilder) vor, jenseits aller bürgerlichen Familienidylle. Er und seine kauzigen Freunde versuchen das Leben mittels der Literatur zu verstehen und beschimpfen sich folgerichtig auch mal als „dekonstruktivistischer Arsch“. Doch dann bricht die Realität in Form eines lang vergessenen One-Night-Stands in Jarles Leben ein: Er hat eine sechsjährige Tochter, und die kommt in drei Tagen, um eine Woche bei ihm zu verbringen, teilt ihm die Kindesmutter per Brief mit.
Jarle passt das überhaupt nicht, seine Kumpels finden das lustig bis abenteuerlich - und schon steht die kleine Lotte in Jarles Bude voller Bücher und alten Kippen und will sofort wieder nach Hause. Sein Leben auf ein Kind einzurichten, ist Jarle nicht gegeben - er reist eben lieber alleine.
Natürlich geht die Geschichte auch ein bisschen ans Herz, denn am Ende versteht sich Lotte mit Jarle und seinem Freundesrudel ganz ausgezeichnet und sogar Lottes Mutter taucht auf - in Sorge, ob ihre Idee, die Kleine beim unbekannten Vater vorbei zu schicken, eine gute war. Lotte feiert dann auch noch ihren siebten Geburtstag, und zu diesem Anlass zeigen alle, dass sie zumindest zeitweise Reisebegleitung schätzen: Es gibt fantasievolle Kostüme, schöne Geschenke und ein paar tiefgründige Reden aus dem akademischen Umfeld Jarles. Nicht nur die verhindern, dass die Geschichte zu einem kitschigen „Vater-entdeckt-die-Liebe-zu-seiner-Tochter“ wird: Lotte ist nicht betont süß, Jarle nicht übertrieben verwahrlost, aber doch die meiste Zeit eher widerstrebend und nicht gewillt, zum fürsorgenden Vollzeit-Papa zu mutieren, „ich reise alleine“ gilt für ihn am Ende womöglich immer noch. Da die Geschichte Mitte der 90er Jahre angesiedelt ist, kann man sich außerdem an dem Soundtrack mit den Pixies, Pulp und der schwedischen Band Bob Hund erfreuen.
Petra Wille