Das Summen der Insekten

Dokumentation, Schweiz 2009, 88 min

Wie man die Zeit vor dem eigenen Tod nennt, das weiß wohl jeder. Man nennt sie das Leben. Wie viel von dieser Zeit als das Sterben bezeichnet werden kann und muss, zeigt Peter Liechti in seinem erschütternden Film, welchen er mit einfachsten Mitteln zu einer großartigen Homage an das Leben werden lässt. Im vorliegenden Fall geht ein Mann zum Sterben in die Wildnis, entledigt sich allen Ballasts und versorgt sich mit den nötigsten Dingen, die man zum Sterben eben braucht. Die japanische Literaturvorlage trug den Titel 'Bis ich zur Mumie werde'. Mitten in Europa dekliniert nun Liechti seinerseits Lebens- und Sterbensfragen und beginnt dabei mit dem Ende, wenn der Film einsetzt, als eine mumifizierte Leiche im Wald gefunden wird, neben der ein detailliertes und zutiefst verstörendes Tagebuch liegt, das im Folgenden von den letzten sechzig Tagen im Leben des Mannes erzählt. Keine Silbe handelt von der Zeit davor, kein Wort von Beweggründen oder Enttäuschungen. Wortgewandt und weitschweifend dagegen gestaltet sich die Beschreibung des Sterbens. Es dauert geraume Zeit, ehe der Mensch wieder im Einklang mit der Natur ist. Ehe er die Tür aufstößt, hinter deren Schwelle das allseits bekannte 'Asche zu Asche und Staub zu Staub' folgen wird. Mit dem Ende der Nahrungsaufnahme setzt die halbwegs bekannte Vermischung aus Halluzinationen und Sinnesschärfungen ein, die sich hier größtenteils auf der Tonspur wieder findet. Auch überlagern noch immer traumartige Erinnerungsfetzen das monotone Landschaftsbild. Nicht ein einziges Mal gelingt es dabei der Kamera, einen Blick auf den Sterbenden zu erhaschen. Statt dessen bleibt sie an den Details des Waldes kleben, verläuft sich auf verlassenen Wiesen und kriecht mit dem Todgeweihten durchs Unterholz. Gemeinsam ziehen sie immer kleiner werdende Kreise um die letzte Ruhestatt und gaukeln sich einander gelegentlich Projektionen vor, die wie aus einem anderen Leben stammen. Als packe der Nahtod-Wanderer langsam seinen Rucksack aus, um befreit und leicht zu entschwinden. Und wie ein surreales Echo auf eine weit entfernte Welt vernimmt man das Summen der Insekten.
alpa kino

Buch: Peter Liechti

Regie: Peter Liechti

Kamera: Peter Liechti, Matthias Kälin, Peter Guyer

Sprecher: Alexander Tschernek, Nikola Weiße

Musik: Norbert Moslang

Produktion: Liechti Filmproduktion

Bundesstart: 06.05.2010

Start in Dresden: 15.07.2010