Es ist schwer, ein Gott zu sein

Science-Fiction, Russland 2013, 177 min

Als Anfang der achtziger Jahre Tarkowskis „Stalker“ in der DDR ins Kino kam, wurde ich sehr häufig von Bekannten, aber auch von mir unbekannten Kinobesuchern gefragt, ob ich ihnen in irgendeiner Form beim Verständnis des Filmes helfen könnte. Konnte ich nicht. Hatte selbst viel zu sehr mit der Komplexität dieses philosophischen Brockens zu kämpfen. Aber ich habe mir eine gute und zeitaufschiebende Entgegnung ausgedacht, die da in etwa lautete: „Wenn du hundert Filme gesehen hast, kann es durchaus sein, dass du nach ein paar Jahren 99 davon vergessen hast. Aber wirst du „Stalker“ jemals vergessen?“ Keiner meiner Gesprächspartner wurde dadurch klüger, aber jeder bestätigte mir, dass er oder sie „Stalker“ niemals vergessen werden.
So ähnlich ergeht es mir heute mit Alexander Germans Film „Es ist schwer, ein Gott zu sein“. Wie auch bei „Stalker“ stammt die literarische Vorlage von den Brüdern Arkadi und Boris Strugazki. Eine Gruppe von Wissenschaftlern soll den Planeten Arkanar erforschen. Der ist der Erde um 800 Jahre hinterher und vegetiert noch im Mittelalter. Aber bald müsste ja die Renaissance ausbrechen, und eben um deren Entstehen zu beobachten, sind die Wissenschaftler auf diesen Planeten gereist. Sie dürfen sich nicht zu erkennen geben und dürfen auch nicht in das evolutionäre Geschehen eingreifen. Sie ordnen sich ein in die graue Masse und auch wir als Zuschauer bekommen nicht verraten, wer Arkanar-Bewohner und wer Erdenbürger ist. Etwa die, die gelegentlich in die Kamera schauen? Aber die Renaissance lässt auf sich warten. Wir erleben Mittelalter pur und dürfen froh sein, dass der dreistündige Film nur in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Ewiger Regen und Schlamm, den man sich zur gegenseitigen Speise anbietet. Rotz, Kotze, Kadaver und Gestank. Der Gestank ist fast körperlich spürbar, denn im Film wird an allem gerochen, was irgendwie riechen könnte. Es werden aber auch zahlreiche Nasen gebrochen. Eine Metapher? Wenn nicht gelegentlich eine weiße Rose in die grandios düsteren Kulissen gestreut würde, es gäbe nichts Schönes in diesem Film zu sehen.
Etwa 12 Jahre hat Alexander German daran gearbeitet, und er starb 2013 noch vor seiner Fertigstellung. Seine Frau und sein Sohn haben das Werk vollendet. Man fragt sich, welche Wut, welcher Hass, welcher Frust muss in einem Menschen stecken, um solch einen Film zu drehen. Bei Tarkowski war immer ein wenig Hoffnung. In „Andrej Rubljow“ sowieso, denn sie würden malen und Glocken bauen. In „Stalker“ ein wenig, denn die Kraft des kranken Mädchens konnte Gläser bewegen. Im „Opfer“ konnte man zumindest hoffen, dass es angenommen würde. Doch bei German bleibt keine Hoffnung. Einen sehr schönen Kommentar gibt dazu Beatrice Behn auf dem Arthaus-Portal kino-zeit.de: „…man spürt beim Sehen dieses Filmes, dass dieser wohl in seiner Gänze viel Abstand und mehrere Sichtungen braucht. Ich habe sogar das Gefühl, dass sein tatsächlicher filmgeschichtlicher Einfluss wohl erst in zwanzig, dreißig Jahren so richtig begriffen werden kann.“
30 Jahre, nachdem ich erstmals „Stalker“ gesehen habe, könnte ich heute, nach mehreren Sichtungen und mit mehr Erfahrung, ein wenig Interpretationshilfe geben. Doch „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ hinterlässt mich vorerst nur verstört. Deshalb ist dies auch keine Filmkritik sondern nur der Versuch, jedem, der sich diesen Film anschaut, mitzuteilen, worauf er sich einlässt.
Frank Apel