Wacken

Liebe Freunde der Sommerbühne, Niemand in unserem Staate hat etwas gegen eine gepflegte Beat-Musik. Sie kann jedoch nicht als die alleinige und hauptsächlichste Form der Tanzmusik betrachtet werden. Denn der schädliche Einfluss solcher Musik auf das Denken und Handeln von Jugendlichen wurde grob unterschätzt, da dabei übersehen wurde, dass der Gegner diese Art Musik ausnutzt, um durch die Übersteigerung der Beat-Rhythmen Jugendliche zu Exzessen aufzuputschen. Hingegen Erich Honeckers eindringlicher Warnung vor 25 Jahren veranstaltete man in dem kleinen schleswig-holsteinischen Dorf Wacken ein kleines und natürlich gepflegtes zweitägiges Rock- und Heavy Metal-Festival mit damals nicht einmal 800 Besuchern. Doch man blieb am Ball und das Festival etablierte sich, wie wir fast alle wissen, zu einem Megaevent mit mittlerweilen 75000 Exzesswilligen. Da Erich Honeckers Ausführung offensichtlich doch irgendwie bleibenden Eindruck hinterlassen haben muss, wurde bisher auch noch nie eine alte DDR-Band auf einer Wacken-Bühne gesichtet. Einzig die alte Frau Basti Baur wurde da bereits verdient abgefeiert. Nun ist solch ein Großereignis nicht Jedermanns Sache, auch wenn man auf Rockmusik der härteren Gangart steht, muss man sich nicht zwangsläufig für Unbilden, die solch ein Festival mit sich bringt, begeistern. Nicht jeder kann sich an einer Übernachtung auf einer Lumatra in einem Campingzelt erfreuen oder genießt den zwangsläufigen Körperkontakt mit diversen eingeschwitzten Mitmenschen mit anschließendem Besuch einer Dixielandklokolonnie bei sommerlichen Temperaturen. Für all diese prinzipiell interessierten Antiseptiker und Zeitgenossen, oder auch Jene, deren Lebensplanung ihnen keine Zeit lässt, am Orte des Ereignisses selbst teilzuhaben, hat Regisseur Norbert Heitker einen abendfüllenden und geruchsfreien Kinofilm geschaffen, der unter Zuhilfenahme einer 3D-Brille einen allumfassenden optovisuellen Eindruck des legendären Festivals wiederzugeben versucht. Die Kameras sind überall dabei, ob im oder über dem Hexenkessel Publikum, vor zurück zur Seite ran und auch hinter der Bühne. Selbst weniger bekannte Bands wie Deep Purple, Motörhead oder auch Rammstein bekommen hier endlich mal eine Plattform, sich vor einem fundiert gepflegten Musikpublikum cineastisch zu präsentieren. Hier können Kinoeigner endlich mal unter Beweis stellen, was ihre fetten Dolby-Sourround Digital-X Prologic High Definition Beat-Anlagen so alles zu leisten im Stande sind. Ansonsten möchte ich dem geneigten Rockfan unbedingt noch das kleine aber feine Rockfestival „Rock im Herbst“ im nahgelegenen Feldschlößchen ans Ohr legen. … Ach und danke an die Veranstalter von Wacken, dass Ihr Jan Delay nicht auftreten lasst. Feuer frei!
Ray van Zeschau (Steinbrücken-Open-Air-Veteran)