Labor Day

Drama, USA 2013, 112 min

„Ich würde weitere 20 Jahre absitzen, nur um drei Tage mit dir zu haben“ - das klingt verdächtig nach Kitsch. Wenn aber Josh Brolin als entflohener Häftling Frank diesen Satz zu Kate Winslet sagt, dann hat das Klasse. Winslets Adele lebt depressiv und einsam mit ihrem 13-jährigen Sohn Henry (Gattlin Griffith) in der Kleinstadt Holton in Massachusetts. Es ist 1987 an einem schwül-heißen Labor-Day-Wochenende. Frank hat eine Krankenhausbehandlung zur Flucht genutzt und erzwingt ein Versteck im Haus von Adele und Henry. Er will sich nur ein paar Stunden erholen und dann weiterziehen. In den folgenden 100 Minuten entstehen die Stimmung und Vertrautheit, die zum eingangs zitierten Satz führen. Frank kümmert sich um Reparaturen im Haus - und um Adele. Auf eine sehr spröde und unendlich langsame Art kommen die beiden „Gefangenen“ sich näher. Der Film ist auch eine Art Kindheitserinnerung von Henry: Er beobachtet interessiert, was zwischen den Erwachsenen passiert und fühlt sich so gar nicht als Geisel. Auch wenn seine Mutter und er das faktisch sind, und auch wenn sie für den Fall einer Entdeckung sogar kurzzeitig an Stühle gefesselt werden - Frank verknotet die Seile fast schon liebevoll.
Vermutlich hätte Rosamunde Pilcher aus dem Stoff ebenfalls eine Geschichte machen können - doch beim Zuschauen denkt man das keine Sekunde - oder höchstens eine ganz kurze Sekunde lang. Kate Winslet und Josh Brolin sind so fantastische Schauspieler, dass die Kitschgrenze nicht überschritten wird. Und schließlich ist auch der kanadische Regisseur Jason Reitman (»Thank You For Smoking«, »Juno«, »Up In The Air«) bisher nicht gerade durch seine Liebe zu pathetischen Stoffen aufgefallen. Tatsächlich fehlen in »Labor Day« die Ironie oder gar der erfrischende Zynismus, die die Vorgängerfilme so sehenswert machten. Stattdessen inszeniert er ganz stilsicher eine sehr bewegende und eigentlich unmögliche Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die an der Vergangenheit und auch an der Gegenwart schwer zu tragen haben. Sehr genau schaut der Kameramann Eric Steelberg bei allen Bewegungen und Verrichtungen zu, so dass sogar Kuchenteig kneten oder das erwähnte Fesseln eine große Zärtlichkeit und Sinnlichkeit bekommen.
Petra Wille